Das Trigonhaus. Ein ikonischer Bau der Schweizer Nachkriegszeit – ein Besuch

Das Trigonhaus. Ein ikonischer Bau der Schweizer Nachkriegszeit – ein Besuch

Mit einer zweitägigen Tagung in Brig feierte die Stiftung Heidi und Peter Wenger ihr zehnjähriges Jubiläum und lud ein, sich näher mit dem Erbe des Architektenehepaares Wenger zu befassen.
Gelegenheit zur Annäherung an das Werk bot ein Spaziergang durch Brig, der gleichzeitig den Auftakt zur Tagung bildete. Auf diesem konnten Bauten unterschiedlichen Massstabes – vom kleinen, intimen Nachkriegsschulhaus bis zur stützenlosen Postautogarage mit Wohnturm – besichtigt werden.
Der Rundgang startete unmittelbar beim Bahnhof Brig und konfrontierte die Besuchenden gleich zu Beginn mit einer unschönen Seite der jüngeren Schweizer Geschichte: In der 1961 erstellten Grenzsanität – ein unscheinbar wirkender, aber sorgfältig komponierter Bau – wurden die ankommenden Gastarbeiter von den Gleisen direkt in das Gebäude geführt, wo sie eine ärztliche Untersuchung über sich ergehen lassen mussten, um auf der anderen Seite wieder als taugliche Arbeiter entlassen zu werden.
Auf dem weiteren Weg konnte man sich anhand unterschiedlichster Bauaufgaben einen Überblick über das Werk der Wengers verschaffen. Abgerundet wurde der Rundgang mit dem Atelier- und Wohnhaus des Paares, in dem sie ab 1955 bis zu ihrem Tod lebten und arbeiteten. Erstaunlicherweise hat dieses Atelier mit samt seinen originalen Einbauten überlebt und dient heute wieder als Architekturbüro. Die Reduktion auf das Wesentliche – sowohl in Sachen Ausstattung, aber auch räumlich – sind Themen, die sich weiter oben am Berg im ikonischen Trigonhaus wiederfinden.
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Das 1956 oberhalb von Brig in Rosswald erstellte Trigonhaus diente dem Ehepaar als Reflexions- und Rückzugsort. Das Haus befindet sich versteckt zwischen Bäumen auf rund 2000 Höhenmeter und fügt sich dank dem mit grauen Holzschindeln eingedeckten Satteldach harmonisch in die Landschaft ein. Im geschlossenen, unbewohnten Zustand zeigt sich das Haus als aufgeständertes, «permanentes Zelt». Die Front- und die Rückseite des Hauses sind mittels fassadengrosser Fensterläden geschlossen, die heruntergeklappt als Terrassen dienen. Von der Vorderseite ergibt sich dank der Ausrichtung eine spektakuläre Aussicht auf das Rhonetal.
Das schwebende Haus, dessen Zugang ursprünglich von der Rückseite her erfolgte, wird heute von unten durch einen gemauerten Sockel betreten. Diesen fügten die Wengers in den 1970er-Jahren hinzu, als sie ihr Haus umbauten. Mit der Verlegung des Bades in den neu erstellten Sockel sowie der späteren Entwicklung der Kugelküche konnte der Wohnraum als fliessender, durchgehender Raum gestaltet werden. Bei diesem Umbau ‘korrigierten’ die Wengers auch die orthogonale Fenstereinteilung und unterteilten die Aussicht in stehenden und liegenden Dreiecken.
Ein Schlüssel für das Freispielen der mittleren Ebene war die innovative Küche, die eigens für das Trigonhaus entwickelt wurde und heute noch voll funktionsfähig ist. Ihre kompakte und drehbare Form ermöglichte eine flexible Platzierung im knapp bemessenen Wohnraum. Aufgrund ihrer kostspieligen Herstellung ging die Küche aber nie in Serienproduktion.
Die Wengers hatten ursprünglich auch davon geträumt, dass Haus seriell herstellen zu können. Und rund zwei Jahre nach dem Bau in Rosswald wurde an der Saffa 1958 in Zürich ein weiteres Haus direkt am Seeufer platziert und avancierte dort zum Publikumsmagnet. Die Wengers sollen gemäss mündlichen Aussagen im Anschluss an die Ausstellung mit Bestellungen überhäuft worden sein, aber die kurz darauf erfolgte Verschärfung der Bauvorschriften verunmöglichten ihnen, die Früchte dieses Erfolgs zu ernten. Und ob der Bau in seiner gezeigten Ausführung tatsächlich Massenproduktions-tauglich gewesen wäre, muss offen bleiben.
Das an der Saffa 1958 ausgestellte Haus wurde nach Ausstellungsschluss am Murtensee wiederaufgebaut, wo es allerdings vor kurzem abgebrochen wurde. Weitere Ausführungen des Trigonhauses befinden sich in der Ostschweiz sowie im Berner Oberland.
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Die beiden mit Vorträgen, Diskussionen und Besichtigungen angefüllten Tage ermöglichten einen differenzierten Einblick in das Schaffen eines wichtigen Architektenpaares der Schweizer Nachkriegszeit. Wie auch dasjenige anderer Architektinnen und Architekten dieser Zeit ist das Werk der Wengers bedroht, da die breite Öffentlichkeit erst langsam beginnt Notiz vom Wert dieser Bauten zu nehmen. Dies zu ändern hat sich die Stiftung Heidi und Peter Wenger vorgenommen, und mit den umfassenden Veranstaltungen zu ihrem zehnjährigen Bestehen nochmals einen grossen Schritt in diese Richtung getan.

NH


Fotos: Nina Hüppi