Küsnachter Villa vorerst gerettet

Küsnachter Villa vorerst gerettet

Im Küsnachter Ortsteil Itschnach befindet sich ein einzigartiges Ensemble von fünf Häusern, die von zwei bedeutenden Schweizer Architekturpionierinnen entworfen worden sind. Drei Gebäude stammen von Lux Guyer, der wichtigsten Architektin der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts, zwei sind von ihrer Nichte Beate Schnitter, die nach dem Tod Guyers deren Architekturbüro weiterführte.

Gegensätzliche Gutachten

Eines dieser Häuser von Schnitter sollte nun etwas Neuem weichen. Ein Immobilienunternehmen plante an der Stelle eine Überbauung. Der Gemeinderat Küsnacht liess ein Gutachten erstellen, aus dem klar hervorging, dass es sich beim Haus um ein Schutzobjekt handle. Allerdings gab auch der Eigentümer ein Gutachten in Auftrag, das, wenig erstaunlich, zum gegenteiligen Schluss kam.
Der Gemeinderat fand schliesslich, das Bauwerk sei grundsätzlich schon schutzwürdig. Nach der Interessenabwägung entschied er sich aber dafür, das Objekt aus dem Inventar der schützenswerten Bauten zu entlassen. Die privaten und weitere öffentliche Interessen überwögen das öffentliche Interesse an einer Unterschutzstellung, teilte er mit. Die gleiche Haltung vertrat auch das Baurekursgericht, das vom Zürcher Heimatschutz angerufen worden war. Für den Heimatschutz handelt es sich bei der Villa von Beate Schnitter um ein hochkarätiges Schutzobjekt.
Die Beschwerde beim Verwaltungsgericht führte schliesslich zur Wende: Es handle sich sehr wohl um einen wichtigen Zeugen und also um ein potenzielles Schutzobjekt, hiess es nun. Das Verwaltungsgericht wies den Fall zur Neubeurteilung ans Baurekursgericht zurück; dieses hatte insbesondere zu prüfen, ob die Interessenabwägung durch den Gemeinderat korrekt war und ob eine Unterschutzstellung verhältnismässig wäre.
Das Baurekursgericht hat die Neubeurteilung vorgenommen, wie dem soeben publizierten Urteil entnommen werden kann. Weil das Verwaltungsgericht dem Gebäude einen hohen Eigenwert zugestanden und insbesondere auf den einmaligen Fächergrundriss hingewiesen hatte, musste sich auch das Baurekursgericht zur Beurteilung durchringen, dass der Grad der Schutzwürdigkeit als hoch und das Interesse an der Erhaltung des Baus als gross einzustufen sei. Der Gemeinderat habe also bei der Interessenabwägung «sein Ermessen nicht mehr vertretbar gehandhabt». Der Rekurs wurde gutgeheissen und der Gemeinderat aufgefordert, den genauen Schutzumfang festzulegen.

Einsatz für die Saffa

Beate Schnitter hat eine einzigartige Laufbahn hinter sich, wird aber in der Architekturgeschichte noch immer wenig gewürdigt. Zwischen 1948 und 1954 studierte sie Architektur an der ETH in Zürich und übernahm das Büro ihrer 1955 gestorbenen Tante Lux Guyer. Guyer war die erste Frau mit eigenem Architekturbüro und die Bauleiterin der Schweizerischen Ausstellung für Frauenarbeit (Saffa) 1928 in Bern.
Wie ihre Tante widmete auch Beate Schnitter einen grossen Teil ihrer Arbeitskraft der Saffa. Die zweite und vorläufig letzte Auflage der Ausstellung fand 1958 in Zürich statt und wurde in grossem Stil mit unzähligen Bauten und einer eigenen Gondelbahn abgehalten – wobei diese für einmal nicht über den See verlief, sondern entlang dem linken Ufer des Zürichsees. Für die Saffa 1958 entwarf Beate Schnitter mehrere Gebäude. Im Weiteren setzte sie sich für die Aufarbeitung des Werks ihrer Tante ein und sorgte dafür, dass ihr einstiger Saffa-Pavillon einen definitiven Platz in Stäfa fand. 


Adi Kälin
ursprünglich veröffentlich in der NZZ am 15. Mai 2020


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Bildnachweis: Gemeinde Küsnacht, Foto Michael Hanak.